Geschichtsweg Station 9: Friedenskirche

Die Friedenskirche gehörte zum „Notkirchenprogramm" der evangelischen Kirche. Sie wurde nach einem Serienentwurf von Prof. Dr. Otto Bartning gebaut und nannte sich „Notkirche Typ D“. Diese Notkirche besteht aus einer vorgefertigten hölzernen Stützkonstruktion, in die man vor Ort die nichttragenden Wände einfügte. Hintergrund ist die Flüchtlingsbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg, in deren Folge die Zahl der evangelischen Bürger in Neufahrn enorm stieg. Seit 2. Juli 1970 heißt die evangelische Kirche nach Beschluss des Kirchenvorstands „Friedenskirche“.

09 Friedenskirche

Station 9 Friedenskirche Bild 1

Der Taufstein in der Friedenskirche ist eine Erinnerung an die Flüchtlingsbewegung nach dem Zweiten Weltkrieg. Er ist aber auch eine Mahnung, dass nie wieder Menschen aus ihrer Heimat vertrieben werden dürfen und alles hinter sich lassen müssen, was ihnen lieb und teuer ist. Die Idee zum Taufstein stammt vom ersten evangelischen Pfarrer in Neufahrn, Ernst Stiller. Er sammelte die Schlüssel der Flüchtlinge ein und wollte damit symbolisch deren alte Heimat in Gottes Hände legen. An einem Kupferring hängen noch immer über hundert kleine und große Schlüssel um den Taufstein.

Am 2. Juli 1970 entschied der Kirchenvorstand, dass die Kirche in Neufahrn „Friedenskirche“ heißen soll und die Kirche in Ergoldsbach künftig „Versöhungskirche“ genannt werden soll. Die Versöhnungskirche wurde 2020, im Jahr ihres 50-jährigen Bestehens verkauft und entwidmet. Die Friedenskirche aber besteht auch nach über 70 Jahren fort und trägt Erinnerung und Mahnung in ihrem Namen fort.

Pfarrer Ernst Stiller wurde am 18. Februar 1945 von russischen Soldaten aus Reichenbach im Eulengebirge (Schlesien) vertrieben. Über Straubing kam Stiller nach Neufahrn und hatte die Aufgabe, die evangelischen Flüchtlinge dort zu betreuen. Die Gemeinde Neufahrn hatte zu dieser Zeit 975 Heimatvertriebene aufgenommen. Sie wurden in einer Notunterkunft in der Schule versorgt. Deshalb war die Zahl der evangelischen Christen sprunghaft von etwa 30 auf 385 gestiegen.

Am 25. März 1945 hielt Stiller, knapp zwei Wochen nachdem er nach Neufahrn gekommen war, den ersten Gottesdienst im Betsaal des Schlosses. Dort hatten sich schon seit etwa 1895 evangelische Christen getroffen. Weil sie so wenige waren, kamen sie den Aufzeichnungen zufolge unter anderem aus Laberweinting, Geiselhöring, Eggmühl und Langquaid zum Gebet nach Neufahrn. Ein Vikar aus Landshut hielt die Gottesdienste. Es zeigte sich jedoch bald, dass der Betsaal für die rasante gestiegene Zahl an evangelischen Christen zu klein war. Neufahrn kam auf die Liste der Gemeinden, die eine „Notkirche“ brauchten. 34 sollten in ganz Deutschland gebaut werden, eine davon ist die Friedenskirche.

Die Entscheidung zum Bau des Gemeindezentrums fiel 1949. Das evangelische Hilfswerk der amerikanischen Abteilung des Lutherischen Weltbundes finanziert es. Den Baugrund und das Fundament brachte die Gemeinde auf. Für das Fundament leisteten 102 Arbeitskräfte in vier Tagen genau 1233 Arbeitsstunden, heißt es in den Unterlagen von damals. Die Friedenskirche gehörte zum „Notkirchenprogramm" der evangelischen Kirche. Sie wurde nach einem Serienentwurf von Prof. Dr. Otto Bartning (1883-1959) gebaut und nannte sich „Notkirche Typ D“. Sie besteht aus einer vorgefertigten hölzernen Stützkonstruktion, in die man vor Ort die nichttragenden Wände einfügte. Ihr markantes Erscheinungsbild erhielt die Kirche durch das hohe Walmdach, an dessen Traufe ein einfacher Glockenträger von einem Kreuz bekrönt wird.

Der Innenraum strahlt durch die sichtbare Holzkonstruktion Wärme aus. In einer Nische, die von Klappläden geschlossene erden kann, befindet sich der Altar. Dem schlichten Gesamteindruck, der bis heute erhalten ist, entspricht auch das einfach Gestühl. Spatenstich für die „Notkirche Typ D“, die später Friedenskirche genannt werden sollte, war am 221. Oktober 1949. Bereits am 28. Februar 1950 erfolgte die Einweihung. Ein Festumzug führte vom Betsaal im Schloss zur Friedenskirche.

Noch vor dem Zweiten Weltkrieg war die evangelisch-lutherische Tochterkirchengemeinde Neufahrn  von Landshut nach Straubing umgegliedert worden. 1954 wurde aus der Tochterkirchengemeinde schließlich eine Kirchengemeinde und aus dem exponierten Vikariat ein Pfarramt. 

Nach 17-jähriger Dienstzeit verließ Stiller die evangelische Kirchengemeinde im Alter von 67 Jahren. Tragisch: er starb noch in der Nach seiner Abreise in München. Am 1. Mai 1962, dem ersten Tag seines Ruhestandes, wurde er in Neufahrn beerdigt. In den Aufzeichnungen zu seiner letzten Predigt an Ostern 1962 schrieb Stiller: „Möge sich die Gemeinde Neufahrn unter Gottes Schutz und Hilfe weiter zu einer rechten christlichen Gemeinde entwickeln; möge sie bald einen neuen treuen Hirten bekommen; mit diesen Wünschen scheide ich hier“. Stillers Nachfolger war Pfarrer Wilhelm Reck, der bis 1971 in Neufahrn wirkte. Seit 2014 ist Pfarrer Jörg-Dietrich Gemkow der elfte Pfarrer in Neufahrn. Vor ihm waren auch mehrfach Pfarrers-Ehepaare für die evangelische Kirchengemeinde verantwortlich.